Flexibilität wird häufig als Gegensatz zu Stabilität definiert. Eine Übersetzung dieser beiden Begriffe könnte auch lauten: Anpassungsfähigkeit und Unbeweglichkeit. In Anbetracht situationsbedingter Entscheidungen spricht man auch von einem Flexibilitäts-Stabilitäts-Dilemma: Wer gerade einer Aufgabe nachgeht, wie z.B. „Der flexible Mensch“ von Richard Sennett zu lesen, kann gleichzeitig mit der Anfrage eines Freundes konfrontiert werden, der die Klärung nach einer Meinungsverschiedenheit einfordert, obwohl man diese auf einen anderen Zeitpunkt vertagt hat.
Die Interpretationsweisen dieser Situation sind vielfältig. Aber nehmen wir an, die Lektüre fortzusetzen, spräche in diesem Fall für Stabilität; auf das Bedürfnis des Gegenübers einzugehen, repräsentiere eine flexible Variante, nämlich das Einsetzen der Fähigkeit sogenannter kognitiver Flexibilität: Das Dilemma bestünde darin, Stabilität und Flexibilität nicht in Einklang bringen und so entweder nur sich oder dem anderen gerecht werden zu können.
Unter kognitiver Flexibilität versteht man mentale Verlagerung (auch Shifting): Kognitive Flexibilität macht es möglich, sich an Situationen mit dynamischen Bedingungen effektiv anzupassen und sie ist hinsichtlich sozialer Interaktion eng mit Empathiefähigkeit verknüpft. Man sagt, dass die kognitive Flexibilität etwa mit dem 20. Lebensjahr ausgereift sei, wohingegen vorher häufig Ablehnungsmechanismen wirksam würden, wenn eine Routine durchbrochen wird.
Neben dieser positiven Befähigung des Menschen, veränderte Umwelteinflüsse in den Weg der Zielführung zu integrieren, zu reflektieren und im wörtlichen Sinne umzudenken, ist Flexibilität aber auch eine Antwort auf die Frage nach dem eigenen Charakter.
Dass nicht mehr die Investition der Arbeitszeit, sondern nur das Ergebnis zählt, setzt den Arbeitnehmer unter Druck, den er mit sich selbst vereinbaren muss.
In Bewerbungsgesprächen wird die Aussage: „Ich bin flexibel“ mittlerweile als durchaus positive Grundvoraussetzung genommen. Denn gleichzeitig signalisiert dies ständige Verfügbarkeit. Ein anderes Beispiel aus dem Arbeitsbereich sind flexible Arbeitszeiten. Der Ansatz dabei ist, das Familien-Berufs-Modell auszubauen, jedoch kann Flexibilität ohne Orientierung an stabilen Arbeitszeiten auch zum Selbstausbeutertum tendieren: Überstunden können nicht mehr konkret gemessen werden. Dass nicht mehr die Investition der Arbeitszeit, sondern nur das Ergebnis zählt, setzt den Arbeitnehmer unter Druck, den er mit sich selbst vereinbaren muss.
Dehnt man die Charakterfrage aus, stellt sich auch die Frage nach der Vereinbarkeit von Flexibilität und Individualität. Ist das, was man als Selbstsein für sich beansprucht, denn ein dehnbarer Begriff? Richard Sennett spricht von einer „Dehnfestigkeit“, die menschliches Verhalten definieren sollte. Damit meint er: „sich wechselnden Umständen anzupassen, ohne von ihnen gebrochen zu werden.“ Problematisch sei Flexibilität auch vor allem dann, wenn sie bestimmend für moderne Arbeitsprozesse wird: „Das Wesen des flexiblen Wandels soll es sein, sich von der Vergangenheit zu lösen und das Vorausgehende entschieden und unwiderruflich zu verändern. (…) Die Zeit der Flexibilität ist die Zeit einer neuen Macht.“
In diesem Fall ist Flexibilität neben der psychischen Dimension als effektive oder eben auch problematische Anpassungsgabe- bzw. Bereitschaft ein Steuerungselement, dem es sich zu unterwerfen gilt und das bei zunehmendem Zwang zur Flexibilisierung mit dem Anspruch an ständige Verfügbarkeit seelische Krankheiten hervorrufen kann. Auch ist es heute nicht unüblich, mehrere Berufe nebeneinander oder zumindest doch nacheinander auszuüben: Jubiläen von Langzeitangestellten werden dann durch häufige Einstands- und Abschiedsfeiern abgelöst, die durch Kurzzeitverträge zustande kommen.
Wenn die Dehnbarkeit eines Gummibandes ausgereizt ist, dann reißt es und findet nicht mehr in seinen Ursprungszustand zurück. Auf die menschliche Psyche bezogen muss festgehalten werden: Es gibt eine markante Grenze zwischen biegsam zu sein und sich zu verbiegen.