Der Begriff „Selbstobjekt“ geht auf den Begründer der Selbstpsychologie, Heinz Kohut (1913-1981), amerikanischer Psychoanalytiker österreichischer Herkunft, zurück.
Er definierte den Begriff Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts als ein Objekt (Imago, also Vorstellungsbild einer Person), das im Dienste des Selbst und der Aufrechterhaltung seiner Triebbesetzung benutzt oder als Teil des Selbst erlebt wird. In dieser Bedeutung wird das Selbstobjekt konkret als ein Objekt definiert, das eine psychologisch notwendige, aber fehlende Funktion ersetzt.
Das Selbst-Objekt ist ein anderer, sehr nahestehender Mensch, der das eigene Selbst stützen soll. Für kleine Kinder sind die Eltern ganz natürlicherweise die „Selbstobjekte“. Ohne die emotionale Zuwendung respektive Spiegelung, Bestätigung und Anerkennung der Eltern kann sich das Selbst des Kindes nicht gesund entwickeln.
Das Versagen einer positiven emotionalen Spiegelung, d. h. das Aufwachsen des Kindes in einer versagenden Selbstobjekt-Umgebung führt nach Kohout zu der Entwicklung einer kompensatorischen narzisstischen Persönlichkeitsakzentuierung bzw. Störung mit der Folge von destruktiven Durchbrüchen resp. agierter narzisstischer Wut. Dahingegen schafft Objektkonstanz, das Ergebnis einer wohlwollenden emotionalen Spiegelung, die Voraussetzungen, dass später die Vorstellungen vom Selbst und von anderen beim Alleinsein aufrechterhalten werden.
Es gibt psychisch sehr instabile Menschen, die sehen andere Menschen ausschließlich als ihre Selbstobjekte an. Die anderen sollen sie nähren und bewundern.
Fehlten in der Kindheit sichere Primärobjekte (Eltern), können Menschen später das Alleinsein nicht gut aushalten, sodass sie ständig auf ein äußerlich verfügbares Selbstobjekt zur eigenen Stabilisierung angewiesen sind. Es gibt psychisch sehr instabile Menschen, die sehen andere Menschen ausschließlich als ihre Selbstobjekte an. Die anderen sollen sie nähren und bewundern. Der psychisch schwache Mensch kann sein Gegenüber nicht als eigenständigen, freien Menschen anerkennen. Kinder können insofern auch als Selbstobjekte der Eltern fungieren, etwa wenn ein niedriges Selbstwertgefühl der Eltern aufgewertet beziehungsweise die Stabilisierung eines bedrohten Selbst eines Elternteils erlangt werden soll.
So kann das Kind zur Aufmunterung seiner depressiven Mutter beitragen, lenkt sie ab und nimmt ihr die Angst, indem es immer in ihrer Nähe bleibt. Auch kann es sich mit den Schuldgefühlen des depressiven Elternteils identifizieren und sich selbst für sein kindlich-expansives, wildes Verhalten entschuldigen und dieses kontrollieren. Es entwickelt ein subtiles Gespür für die Stimmung der Mutter, tröstet sie und wird so zum Vorzeigekind, indem es hochsensibel die Emotionsbalance erhält.
Diese frühkindliche Kompetenz führt schließlich zu einem falschen Selbst. Das Kind unterdrückt eigene Gefühle von Überforderung, um nicht in ohnmächtige Wut zu fallen. Eigene, authentische Gefühle werden als falsch wahrgenommen, das Kind passt sich an, wird pflegeleicht und schämt sich für sich selbst, für das wahre Selbst. Es wendet die Aggression gegen sich und verinnerlicht das Idealbild und das projizierte Wunschbild der Eltern, wie es als Kind zu sein hat. Dies führt zu einem vulnerablen, also verwundbaren Selbstwert bzw. Wert des eigenen Selbst.
Häufig werden Kinder bei zerstrittenen Ehen von der Mutter oder dem Vater als Selbstobjekt missbraucht. Darunter leidet die Autonomieentwicklung, die es dann später bei eigenen Partnerschaften kaum möglich macht, konstruktive Auseinandersetzungen zu suchen und eigene Wünsche und Bedürfnisse einzufordern.