Psychologie Kulturkritik

Das Burnout-Syndrom

12 Januar 2017

Markus Thiele

Das Burnout-Syndrom

In der Ausgabe GEO WISSEN GESUNDHEIT Nr. 4 findet sich ein lesenswerter Artikel von Ute Eberle und Claus Peter Simon zum Burnout-Syndrom mit dem Titel: „Das erschöpfte Ich“.

Hier daraus nun die wichtigsten Aspekte: 

Sie sind ermattet, unkonzentriert, schlaflos und sehen keinen Sinn mehr in ihrer Tätigkeit. Menschen mit Burnout-Syndrom haben sich selbst zu viel abverlangt. Der Körper verlangt nach Ruhe. Dem nachzugeben ist jetzt ihre wichtigste Aufgabe, denn wer die Warnsignale ignoriert, riskiert chronische Krankheiten. Erst allmählich verstehen Mediziner und Stressforscher, wer in Gefahr ist auszubrennen – und wie sich Auswege aus dem Seelentief finden lassen.

Das Ausbrennen ist meist mit Rückzug verbunden. Der Betroffene zeigt immer weniger Anteilnahme für andere, die Freunde gehen ihrerseits auf Distanz. Einsamkeit ist die Folge.

Doch was ist eigentlich das Burnout-Syndrom – dieses Leiden, das von Ärzteverbänden gar nicht anerkannt ist, sondern allenfalls als „Problem mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“, wie es offiziell heißt. Mediziner können es nicht präzise diagnostizieren. Experten diskutieren darüber auf Kongressen, Laien in den Medien, Wissenschaftler erforschen es an Betroffenen, die Menge der Publikationen ist nicht mehr zu überblicken. Das Leiden ist erst vor gut 4 Jahrzehnten aufgetaucht, beobachtet zuerst bei Lehrern, Krankenpflegern, Psychotherapeuten – also bei jenen Menschen, die in ihren Berufen anderen helfen und die (so sollte man meinen) von der Sinnhaftigkeit ihres Tuns besonders überzeugt sind. Doch inzwischen zeigt sich, dass sich das Leiden nicht auf die Sozialberufe beschränkt.

Als grundlegendes Problem hat sich dabei erwiesen, dass die Anzeichen des Ausgebranntseins häufig den Symptomen seelischer Erkrankungen ähneln. Vor allem überschneiden sich die Merkmale des Burnouts mit denen einer Depression.

Die US-Sozialpsychologin Christina Maslach publizierte ab 1976 eine wegweisende Konzeption des Burnout-Syndroms, bei dem sie von drei Kernsymptomen ausging: 

Emotionale Erschöpfung. Der Betroffene fühlt sich ausgelaugt, müde und frustriert. Er fürchtet jeden Arbeitstag.
Eingeschränkte Leistungsfähigkeit. In seiner eigenen Wahrnehmung ist der Arbeitende unzufrieden mit dem, was er schafft. Er erlebt sich als unkonzentriert, unaufmerksam, wenig durchhaltefähig.
Depersonalisierung: Der Betroffene nimmt eine distanzierte, negative, oftmals herzlose oder zynische Haltung gegenüber seiner Arbeit ein, vor allem gegenüber Kunden, Patienten oder Klienten.

Auf Basis dieser Grundelemente legte Cristina Maslach erstmals 1981 ein Testverfahren vor, mit dem das Syndrom gewissermaßen messbar wurde: „das Maslach burnout Inventory“. Dafür müssen Befragte auf einer mehrstufigen Skala ihre Einschätzung zu Aussagen abgeben, die jeweils einen der drei Kernsymptome entsprechen. Etwa: “Ich fühle mich müde, wenn ich morgens aufwache und wieder einen Arbeitstag vor mir habe.“ Und: „Ich befürchte, dass mich diese Arbeit emotional verhärtet.“ Und: „Ich habe viele wertvolle Dinge in meiner derzeitigen Arbeit erreicht.“ Wer bei den Fragen zur emotionalen Erschöpfung und Depersonalisierung hohe Werte angibt, bei der Leistungsfähigkeit hingegen niedrige, gilt als akut vom Burnout-Syndrom betroffen.

Doch gleichzeitig hegen viele Experten große Zweifel an Maslachs Burnout-Definition und daran, ob ihr Fragebogen tatsächlich misst, was er zu messen vorgibt. Als grundlegendes Problem hat sich dabei erwiesen, dass die Anzeichen des Ausgebranntseins häufig den Symptomen seelischer Erkrankungen ähneln. Vor allem überschneiden sich die Merkmale des Burnouts mit denen einer Depression. Zwar fühlen sich auch depressiv Erkrankte oft ausgelaugt, schlafen schlecht, verlieren jede Freude an Dingen, die ihnen einst Vergnügen bereiteten. Doch eine Depression erfasst alle Lebensbereiche – nichts gibt dem Dasein mehr Wert. Beim Burnout kreist die Verzweiflung dagegen um die Arbeit (oder eine vergleichbare Tätigkeit).

Abschließend bleibt aber aus unserer Sicht festzuhalten: Trotz aller Zeitgemäßheit dieser Diagnose: Eine Abgrenzung des Burnouts zur depressiven Episode gelingt kaum.