Im ZEIT Doctor aus der Zeit Nr. 46 vom 03.11.2016 findet sich ein aufschlussreicher Artikel von Corinna Schöps mit dem Titel: “Wenn die Seele Hilfe braucht” und den Untertiteln: “Was macht eine gute Psychotherapie aus? Wem hilft welches Verfahren? Und was genau geschieht dabei eigentlich in einem Menschen?”
Hier nun ein Summary ihrer Recherchen:
Was ist zu tun, wenn Krieg herrscht im Kopf? Wenn der ganze Körper schreit, aber nichts zu hören ist und nichts zu finden mit all den medizinischen Messgeräten? In Deutschland stehen ambulant 28.000 Psychotherapeuten bereit für derartige Notlagen: In keinem Land der Welt ist die Versorgung mit Psychotherapie so gut wie hier… . Eine Million Menschen sind pro Jahr in Behandlung, 1,5 Milliarden Euro lässt sich die Solidargemeinschaft allein die Therapie außerhalb der Kliniken kosten. Doch ist dieses Geld gut investiert, hilft das Sprechen wirklich?
“Während wir bei der Neuentwicklung von Arzneien gegen psychische Krankheiten auf der Stelle treten, gab es bei der Psychotherapie in den letzten zwanzig Jahren einen enormen Wissenszuwachs”, sagt Martin Keck, Klinikdirektor am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Die Aufmerksamkeit der Mediziner, Psychologen und Neurobiologen für das Thema scheint angebracht.
Lange Zeit kursierte der selbstgefällige Rat, man könne als Patient getrost zu jedem Therapeuten gehen, egal wo es drücke und was er anbiete – Hauptsache, die Chemie stimme. Dagegen formiert sich jetzt Widerstand.
“Ich kam aus der Stunde und grübelte weiter, was ich anders hätte machen können.” Erst später begriff der Patient, dass er gar nichts hätte machen können gegen diesen furchtbaren Partner: “Andere kann man nicht ändern.” Schließlich gelang es dem Patienten, aus den Grübelschleifen auszubrechen. Zunächst mit Antidepressiva, die versetzten sein Gehirn in die Lage, Neues aufzunehmen. Der zweite Schritt war eine spezielle Psychotherapie. Eine Therapie wirkt, wenn es gelingt, Ressourcen zu aktivieren: etwa Freunde, Familie oder den Chor des Patienten als Unterstützungstrupp zu gewinnen. Und dann müssen die Probleme auf den Tisch: Kann da einer nicht ausdrücken, was er braucht? Weiß er vielleicht noch nicht einmal, was er braucht? Ist er einsam? Möchte er dies ändern? Wenn ja, welche Gedanken helfen dabei? Welche Erfahrungen? All dies ist Thema in einer guten Therapie. Ein Schlüssel zum Erfolg ist schließlich, dass der Patient seine Erwartungen an die Zukunft ändert, zuversichtlich wird, statt davon auszugehen, dass ihn sein altes Leben sowieso wieder einholt.
Lange Zeit kursierte der selbstgefällige Rat, man könne als Patient getrost zu jedem Therapeuten gehen, egal wo es drücke und was er anbiete – Hauptsache, die Chemie stimme. Dagegen formiert sich jetzt Widerstand. “Beim genauen Blick in die Studien zeigt sich, dass die Therapie von Patient zu Patient sehr unterschiedlich wirken kann”, sagt Psychologin Brakemeier. Nach heutigem Wissen lassen sich folgende Erkenntnisse festhalten: Je schwerer und chronifizierter das Seelenleiden, desto effektiver ist eine speziell zugeschnittene Methode. Auch die Idee “Je länger eine Therapie, desto besser” lässt sich nicht halten. Selbst kurze Interventionen von 25 Stunden können erstaunlich gut wirken. Kein Patient muss unbedingt 300 Stunden auf die Couch, wie es Lobbyisten alter Schule behaupten.
Erkenntnisse aus der Hirnforschung sprechen dafür, die heilsamen Prozesse der Psychotherapie zu entmystifizieren. Emotionales Lernen funktioniert verblüffend simpel, in Mustern, die sich verändern lassen: durch Üben, Üben, Üben. “Die moderne Psychotherapie geht heute davon aus, dass es nicht reicht, in einmaliger Ergriffenheit zu verstehen, woher unsere besondere Art des Erlebens oder Handelns stammt”, so Martin Bohus. Psychische Gesundung braucht regelmäßiges Training, wie nach einem Bänderriss.
Psychotherapie ist weit mehr als längliches Monologisieren oder punktuelles Problemlösen: Wer einmal lernt, sein Gefühlsleben zu regulieren, erwirbt eine Fähigkeit, die ihm später in allen Lebenslagen nützlich sein kann.
Ein echtes Manko in der Versorgung der Patienten: Wer an schwereren Erkrankungen leidet, etwa einer Borderline-Störung, hat deutlich mehr Probleme, einen Platz beim niedergelassenen Therapeuten zu finden, als jene mit einer leichten Depression. Die weniger anspruchsvollen Fälle werden dann mitunter übermäßig lange therapiert – denn sie sind die angenehmeren Patienten. “Die ersten paar Stunden wirken vermutlich am stärksten”, sagt Martin Bohus. “Aber wir investieren oft viel Zeit in die letzte Verästelung von Lebenseinstellungen, anstatt mehr schwer kranke Menschen zu behandeln.”
Psychiater Bohus: “Wenn sich nach drei Monaten keine deutliche Besserung zeigt, ist die Therapie höchstwahrscheinlich unwirksam.” Ein Mythos sei es, zu glauben, die ausbleibende Besserung sei die Schuld des Patienten. “Es ist die Aufgabe des Therapeuten, ihn zu motivieren und zu ermutigen, sich neuen Erlebens- und Sichtweisen auszusetzen. Wenn der Kranke dies alleine könnte, dann hätte er es längst getan.” Unwirksame Therapien fortzusetzen ist in den Augen von Bohus Betrug: “Da werden nicht nur finanzielle, sondern auch wichtige emotionale Ressourcen beim Patienten verbrannt.”
“Ich kam aus der Stunde und grübelte weiter, was ich anders hätte machen können.” Erst später begriff der Patient, dass er gar nichts hätte machen können gegen diesen furchtbaren Partner: “Andere kann man nicht ändern.” Schließlich gelang es dem Patienten, aus den Grübelschleifen auszubrechen. Zunächst mit Antidepressiva, die versetzten sein Gehirn in die Lage, Neues aufzunehmen. Der zweite Schritt war eine spezielle Psychotherapie. Eine Therapie wirkt, wenn es gelingt, Ressourcen zu aktivieren: etwa Freunde, Familie oder den Chor des Patienten als Unterstützungstrupp zu gewinnen. Und dann müssen die Probleme auf den Tisch: Kann da einer nicht ausdrücken, was er braucht? Weiß er vielleicht noch nicht einmal, was er braucht? Ist er einsam? Möchte er dies ändern? Wenn ja, welche Gedanken helfen dabei? Welche Erfahrungen? All dies ist Thema in einer guten Therapie. Ein Schlüssel zum Erfolg ist schließlich, dass der Patient seine Erwartungen an die Zukunft ändert, zuversichtlich wird, statt davon auszugehen, dass ihn sein altes Leben sowieso wieder einholt.
Lange Zeit kursierte der selbstgefällige Rat, man könne als Patient getrost zu jedem Therapeuten gehen, egal wo es drücke und was er anbiete – Hauptsache, die Chemie stimme. Dagegen formiert sich jetzt Widerstand. “Beim genauen Blick in die Studien zeigt sich, dass die Therapie von Patient zu Patient sehr unterschiedlich wirken kann”, sagt Psychologin Brakemeier. Nach heutigem Wissen lassen sich folgende Erkenntnisse festhalten: Je schwerer und chronifizierter das Seelenleiden, desto effektiver ist eine speziell zugeschnittene Methode. Auch die Idee “Je länger eine Therapie, desto besser” lässt sich nicht halten. Selbst kurze Interventionen von 25 Stunden können erstaunlich gut wirken. Kein Patient muss unbedingt 300 Stunden auf die Couch, wie es Lobbyisten alter Schule behaupten.
Erkenntnisse aus der Hirnforschung sprechen dafür, die heilsamen Prozesse der Psychotherapie zu entmystifizieren. Emotionales Lernen funktioniert verblüffend simpel, in Mustern, die sich verändern lassen: durch Üben, Üben, Üben. “Die moderne Psychotherapie geht heute davon aus, dass es nicht reicht, in einmaliger Ergriffenheit zu verstehen, woher unsere besondere Art des Erlebens oder Handelns stammt”, so Martin Bohus. Psychische Gesundung braucht regelmäßiges Training, wie nach einem Bänderriss.
Psychotherapie ist weit mehr als längliches Monologisieren oder punktuelles Problemlösen: Wer einmal lernt, sein Gefühlsleben zu regulieren, erwirbt eine Fähigkeit, die ihm später in allen Lebenslagen nützlich sein kann.
Ein echtes Manko in der Versorgung der Patienten: Wer an schwereren Erkrankungen leidet, etwa einer Borderline-Störung, hat deutlich mehr Probleme, einen Platz beim niedergelassenen Therapeuten zu finden, als jene mit einer leichten Depression. Die weniger anspruchsvollen Fälle werden dann mitunter übermäßig lange therapiert – denn sie sind die angenehmeren Patienten. “Die ersten paar Stunden wirken vermutlich am stärksten”, sagt Martin Bohus. “Aber wir investieren oft viel Zeit in die letzte Verästelung von Lebenseinstellungen, anstatt mehr schwer kranke Menschen zu behandeln.”
Psychiater Bohus: “Wenn sich nach drei Monaten keine deutliche Besserung zeigt, ist die Therapie höchstwahrscheinlich unwirksam.” Ein Mythos sei es, zu glauben, die ausbleibende Besserung sei die Schuld des Patienten. “Es ist die Aufgabe des Therapeuten, ihn zu motivieren und zu ermutigen, sich neuen Erlebens- und Sichtweisen auszusetzen. Wenn der Kranke dies alleine könnte, dann hätte er es längst getan.” Unwirksame Therapien fortzusetzen ist in den Augen von Bohus Betrug: “Da werden nicht nur finanzielle, sondern auch wichtige emotionale Ressourcen beim Patienten verbrannt.”