Es ist kein leichter Schritt, sich für eine Therapie zu entscheiden, und meist mit Scham verbunden. Und es ist oft auch ein schwerer Schritt, diese wieder zu beenden. In eine Beziehung hineinzukommen hat den Vorteil, nicht wissen zu können, worauf man sich einlässt. Das Beenden einer Therapie hat den Vorlauf einer Entscheidung. Eine im besten Fall gute Beziehung beenden zu müssen oder zu wollen. Also etwas zu tun, was man in seinem Leben außerhalb der Therapie meist nicht tun würde.
Das Ende einer Therapie ist Bestandteil der Therapie. Aber nicht nur „ordentliche“ Abschiede, also abzuschließende Therapien, sind ernst zu nehmen, sondern gerade auch der Abbruch einer Therapie. Häufig ist einer der Gründe, eine Therapie vorzeitig zu beenden, Enttäuschung. Enttäuschung darüber, keine Verbesserung des Zustandes festzustellen, darüber, dass der vermisste Vater nicht in die Rolle des Therapeuten passt, darüber, dass der Schutzfilm der Regression nicht die Lösung, sondern Teil des Problems ist, darüber, dass die Sehnsucht nach absolutem Verständnis auch im Verhältnis zum Therapeuten nicht gestillt werden kann. Der anfängliche Frust, später eine schwerwiegende Enttäuschung, entlädt sich im besten Fall im therapeutischen Gespräch, kann aber auch dazu führen, aus der Beziehung erst langsam und dann ganz auszutreten.
„Wenn dein Therapeut oder deine Therapeutin nicht zu dir passt oder wenn die Behandlung selbst keine Wirkung zeigt, schreibst du dir die ausbleibenden Fortschritte schnell selbst zu. Rückfälle empfindest du dann als noch größere Enttäuschungen. Und auch für das Ende der Therapie bist in deinem Kopf dann du verantwortlich.“, heißt es in einem Erlebnisbericht.
Ein Therapieabbruch ist eine Art Kritik des Patienten, meint Psychologe und Psychotherapeut Ryan Howes.
Aber nicht nur der Patient, auch der Therapeut erleben im Moment des plötzlichen Therapieabbruchs eine Erschütterung. Der Therapeut sowie der Klient stehen dann beide im Schatten des Gescheitertseins. Beschreibt man den eruptiven Zustand der Trennung als lose Abfolge von Adjektiven wie „ratlos”, „geschockt“, „beleidigt“ oder „verzweifelt“, dann hört sich der Abbruch einer Therapie nicht anders an als das plötzliche Verlassen seines Partners/seiner Partnerin. Abgesehen davon, dass keine Trennung ohne Anlauf geschieht, wirkt sie trotzdem häufig für die Verlassenen wie ein Aufprall auf Asphalt.
Statistisch sagt man, dass einer von fünf Patienten vorzeitig aus der Therapie aussteigt. Neben emotional ambivalenten Gründen kann auch Geldknappheit dazu geführt haben, wenn die Therapie privat finanziert wurde. Auch sonstige Momente können zu einem frühzeitigen Abbruch führen, z. B. ein Umzug oder eine Schwangerschaft.
„Ein Therapieabbruch ist eine Art Kritik des Patienten“, meint Psychologe und Psychotherapeut Ryan Howes.
Um vorzeitigen Abbrüchen und einem Ghosting des Patienten aus der Therapie entgegenzuwirken, sind folgende Strategien zu beachten:
– über Kosten, Nutzen und Dauer einer Psychotherapie und über mögliche Risiken zu informieren
– über die „Aufgaben“ von Therapeut und Patient im Therapieverlauf aufzuklären
– ein vertrauensvolles Arbeitsbündnis aufzubauen
– den Therapiefortschritt und die Hoffnung auf Verbesserung zu artikulieren
Wird allerdings die sogenannte Abstinenzregel vom Therapeuten massiv verletzt, sollte man die Therapie beenden. Nur sollte man sich nicht von seinen eigenen „Tricks“ täuschen lassen, also aus Beziehungen zu entwischen, bevor man überhaupt in diese „eingestiegen“ ist. Denn in einer (therapeutischen) Beziehung zu sein, heißt auch immer sich ein Stück abhängig vom anderen zu machen, so wie in jeder wahrhaften Liebesbeziehung.