Psychologie Kulturkritik

Zwei Schwestern: Neid und Eifersucht

26 April 2021

Markus Thiele

Zwei Schwestern: Neid und Eifersucht

“Jeder wäre gerne Cary Grant. Sogar ich wäre gerne Cary Grant.“ Der britisch-amerikanische Schauspieler zählt zu den bedeutendsten Hollywoodfilmstars und konnte zeitlebens der Selbstironie ernsthaft mit seiner Karriere trotzen.

Diese Art des selbstironischen Übermuts scheint in der Öffentlichkeit selten geworden zu sein. Als ginge es, um den guten Ton zu wahren, darum Neid und Eifersucht nicht offen, sondern vielmehr subtil zu provozieren. Neider und Beneideter treffen so nicht diskursiv und unmittelbar aufeinander, sondern verharren einerseits in der Auffassung „Neid muss man sich verdienen“ und andererseits in dem Irrglauben, Neidgefühle könnten über die andere Person kompensiert werden. Cary Grant, der typische Poser, auf den man das ganze Neiddebakel reduzieren kann.

Neid und Eifersucht sind Charakterzüge, die ungern der Öffentlichkeit preisgegeben werden und sie verstecken sich deshalb nicht selten unreflektiert hinter Wut, (Auto)-Aggression und Rückzug. Als »Schamteile der menschlichen Seele« betrachtete Friedrich Nietzsche beide Gefühle.

Als eine gemeinsame Ursache von Eifersucht und Neid gilt ein selbstwertdefizitäres Selbstbild. Eine Möglichkeit seine defizitären Seinserfahrungen auszugleichen, besteht darin eine Verbindung mit einem Partner einzugehen, der narzisstisch ist. Und so ein vermeintlich starkes Selbstbild vorlebt, das die empfundenen Defizite ständig kompensiert.

Aber welches Gefühl ist es, das sich in einem breitmacht, wenn das eigene Selbst als schmerzlich defizitär empfunden wird? Eifersucht entsteht an der Stelle, an der eine Person eine mangelnde Wertschätzung durch eine andere Person erfährt. Neid wiederum geht auf spezifische Wertvorstellungen zurück.

Trotzdem kann man auch von berechtigter Eifersucht sprechen, insbesondere dann wenn die Vermutung berechtigt ist, dass der Partner oder Freund seinen Fokus auf eine intime Beziehung ausserhalb der Partnerschaft richtet. Allerdings gilt dann eher die Vermutung als die Eifersucht gerechtfertigt, da das eigene Selbstbild daran nicht zwingend zerbricht, doch häufig stark in Zweifel gezogen wird.

Das Sozialste an sozialen Netzwerken ist das Stattfinden von Neid und Eifersucht.

Beide Gefühle entstehen im Vergleich. Das kompetetive Verhältnis wird in den sozialen Medien auf die Spitze getrieben und überspitzt ist zu sagen: Das Sozialste an sozialen Netzwerken ist das Stattfinden von Neid und Eifersucht. Dort findet man immer Menschen, die ihre Achtsamkeit, ihre gute Ernährung, ihre Erfolgssprünge, ihre Faltenlosigkeit zum Narrativ eines zu beneidenden Lebens machen. Die Gefahr besteht darin, dass die sozialen Netzwerke ausschließlich kuratiertes, nie aber vollständiges Leben abbilden. Selbst wenn eine Person ihre Depression oder ihre Mangelhaftigkeit erzählt, dann immer intentional, nie frei. Es ist bei den wenigsten dabei davon auszugehen, dass sie ihren inneren Cary Grant sprechen lassen, denn der Neider wird selten zum Liker.

Und trotzdem bietet dieses Spielfeld insbesondere drängende Fragen ab wie: Wer hat mehr Likes? Wer hat mehr Follower? Warum sieht bei Person X alles so hell erleuchtet aus, während ich noch hinter vorgezogenen Vorhängen das Licht der Öffentlichkeit scheue?

Maßgeblich für evozierte Neidgefühle ist vor allem die Phantasie darüber, dass man im Vergleich mit anderen schlechter abschneidet. Insbesondere bei der Ähnlichkeit in den Bereichen: Sozialer Status, Geschlecht, Alter, physiognomische Merkmale und so weiter ist Neid ein häufig auftretendes Thema.

Während Eifersucht oft missverstandene Liebe ist, ist Neid häufig missverstandenes Gönnertum. Denn über einen Shitstorm in den sozialen Netzwerken hinaus kann Neid auch Motivation zum eigenen Improvement sein. »Neid treibt uns dazu an, die Distanz zum überlegenen Vergleichsstandard abzubauen« (Jan Crusius, Sozialpsychologe)

Verena Kast weist in ihrem Buch „Neid und Eifersucht“ darauf hin, dass die Aushandlung dieser beiden Zustände dann vertane Zeit ist, wenn wir sie ausschließlich auf andere beziehen. Damit Umschiffen wir nicht nur die Auseinandersetzung mit uns Angst machenden Gefühlen, die sich aus früh angelegten Erfahrungen speisen, sondern nutzen auch nicht das Potential dieser Emotionen aus, um auf unserem eigenem Weg weiterzukommen. Neid und Eifersucht sind nicht ausschließlich destruktiv, sondern auch der Verweis auf eigene höhere Ziele und kraftvolle Wünsche.

Die Unterscheidung zwischen bösartigem und gutartigem Neid meint genau das: Die Gratwanderung zwischen dem Reißnagel im eigenen Selbst und dem Streben nach dem Gipfel.